Mit leichter Sorge aber einer lockeren Handbewegung warf die Institutsleiterin Christin einen Blick auf ihre Uhr und schüttelte den Kopf als liefe etwas nicht so, wie sie es geplant hatte.
„Das passiert, wenn man zu locker mit gewissen Attitüden von kleinen Patienten umgeht. Sie wissen einfach nicht, dass dadurch gut getaktete, wichtige Pläne zeitlich ins Schwanken geraten können und Erwachsene dann umdisponieren müssen, um alles wieder ins Lot zu bekommen. Das ist natürlich nicht ihre Schuld, sondern einzig die unangebrachte Reaktion ihrer Erzieher auf ein solch unerwünschtes Verhalten. Deswegen muss man, besonders am Anfang der Regressionstherapier, eine leicht erhöhte Strenge walten und sich nicht von Betteln oder Jammern beirren lassen. Schwester Hildegard? Bitte machen Sie eine Notiz für die Igelgruppe, das das Sicherheitslevel für alle Mitglieder, für eine Woche um eine Stufe erhöht wird.“
Die Schwester konnte sich ein leicht diabolisches Schmunzeln nicht verkneifen und nickte eifrig, um die Anweisung zu bestätigen. Der Rest der Gruppe wusste nicht genau, was es bedeuten sollte, aber allen schwante nichts Gutes.
Christin holte ein kleines, elektronisches Gerät aus ihrer Tasche, drückte ein paar Knöpfe darauf und ließ es wieder verschwinden. Sie gab Schwester Hildegard, dem Mädchen, was den ersten Brutkasten hereingeschoben hatte und dem kräftigen Pfleger Anweisungen, den Rest der Gruppe jetzt für die weiteren Aufnahmebehandlungen vorzubereiten. Sie selber wandte sich persönlich Lea und Rose zu und machte eine schnelle Notiz auf ihren Block.
„So Lea, dich brauche ich noch mal für eine kurze Unterredung. Keine Angst, Rose wird dich begleiten. Bitte kommt mit in mein Praxisbüro, alles Weitere klären wir dort.“
Lea nuckelte etwas lauter und nervöser, als sie so direkt angesprochen wurde, aber niemand bekam etwas davon mit. Als Rose sie hinter Christin her hinaus aus dem Zimmer schob, konnte Lea gerade noch sehen, wie weitere dieser rollenden Kästen hereingefahren und die ersten ihrer Leidensgenossinnen auf den Wickeltisch geschnallt wurden, um sie zu verpacken.
Die drei Frauen bewegten sich, angeführt von Christin, durch die Gänge des Institutes, das auf den zweiten Blick, mehr zu bieten hatte, als eine sterile Krankenhausatmosphäre. Lea blickte mit etwas mehr Mut und vor allem einer großen Portion Neugier umher, während sie im Rollstuhl geschoben wurde. Immer noch gingen unzählige Türen und Gänge nach links und rechts des Hauptweges weg und verzweigten sich in ein verwirrendes Netzwerk. Dieses Labyrinth war hell erleuchtet und mutete mit freundlichen Farben und kleinen Details fast wohnlich an. An den Wänden hingen mehr und mehr Bilder, welche Szenen von Kurorten zeigten und Menschen in verschiedenen Behandlungsmethoden und Therapien. Auf den ersten Blick unverbindlich, aber beim genauen Hinschauen konnte man Erwachsene in Windeln erkennen, die ausgelassen in, mit Spielzeug gefüllten Zimmer spielten und offensichtlich Spaß hatten. Auf einem konnte man eine Fütterung von drei Frauen beobachten, welche dafür in Hochstühle gesetzt worden waren. Und eines zeigte sogar eine strenge Erzieherin in einer altmodischen, steif gestärkte Uniform, die einen Zögling über ihrem Knie liegend mit der Hand züchtigte, wofür sie ihm sein dickes Windelpaket bis zu den Knien heruntergezogen hatte.
Gerade löste sich Leas Blick von diesem Bild und sie schaute wieder nach vorn, als ihnen eine Pflegerin entgegenkam, die zwei Patienten bei sich hatte. Lea staunte. Die Frau schob einen Kinderbuggywagen vor sich her, der so groß war, dass die erwachsene Frau darin bequem Platz fand. Und wenn sie nicht mit so vielen Gurten und Riemen darin festgeschnallt gewesen wäre, hätte sie sicher auch eine große Bewegungsfreiheit gehabt. So aber, waren ihre wilden Versuche aus dem Wagen zu klettern, mit den Beinen zu strampeln und zu treten oder nach etwas zu greifen, das sie werfen konnte, auf ein kümmerliches Wackeln und Zucken beschränkt. Begleitet wurden diese Ausbrüche ihres Unwillens, in einem so albernen Gefährt präsentiert zu werden, durch unverständliche, brummende und gurgelnde Laute der Wut, die sie ganz offensichtlich an den Tag legte. Zum Glück wurden ihre, ganz sicher vulgären, Ausdrücke durch eine maulkorbartige Konstruktion um ihrer unteren Gesichtshälfte stark gedämpft und kontrolliert unterdrückt. Wie zum Hohn, war auf der Vorderseite dieser Wutmaske eine große Schnullerplatte mit dazugehörigem Ring angebracht, der bei jeder angriffslustigen, von Schnaufen begleiteter Kopfbewegung lustig klapperte und hüpfte. Der Kontrast ihres tadeligen Benehmens zu ihrer Aufmachung ließ Lea hinter ihren eigenem Schnuller unwillkürlich grinsen. Der Frau im Wagen war sicher nicht so zumute, aber in ihrem niedlichen Strampler mit den Teddybären, der das ballongroße Windelpaket darunter nicht einmal im Ansatz verbergen konnte, wirkte ihr gezähmtes, trotziges Gebaren wie das eines bockigen Kleinkindes, dem mit letzter Konsequenz gezeigt wurde, das ein solches Benehmen nicht toleriert wird.
Ihre Erzieherin, schien das derweil nicht im Geringsten zu tangieren, denn sie war mit ihrem zweiten Zögling beschäftigt, der an einer breiten Leine, die sein Brustgeschirr mit der Haltestange des Buggys verband, hinter ihr her krabbelte, so schnell er konnte. Der Mann im blau-gelben Spielanzug ließ den Kopf hängen, während er sich eine Standpauke anhören musste, die ihm verriet, dass der Rest seines Tages wohl aus ihm unangenehmeren Aktivitäten bestehen würde.
„Franziska, wie oft habe ich dir gesagt, du sollst deine große Schwester nicht immer so provozieren. Jetzt ist ihr Punktekonto voll und ich muss sie in diesem Zustand euren Eltern präsentieren. Und das wo sie euch zum ersten Mal, nach dem erfolgreichen Abschluss eurer ersten Therapiephase sehen werden. Ich denke dafür wirst du heute Abend bei der -Entpunktung-, die Hälfte ihrer Strafe erhalten.“
Bei diesen Worten riss die Frau im Wagen die Augen weit auf wie Untertassen und ihr Blick begegnete mit einem stummen Flehen dem von Lea. Das ganze dauerte nur einen kurzen Moment, ehe die beiden Gruppen sich passierten und das merkwürdige Trio den Gang in die andere Richtung hinter einer Biegung verschwand. Während Lea von diesem Erlebnis, welches Rose und Christin scheinbar gar nicht registriert hatten, noch ganz aufgeregt war, erreichten sie das Ende eines Ganges, der von einer dunklen, edel wirkenden Holztür begrenzt wurde. Ein gold glänzendes Schild war darauf angebracht, welches mit eingravierten, weißen Buchstaben darauf hindeutete, dass dies das Büro der Direktorin war. Lea wusste nicht warum, aber ein kribbelnder Schauer durchfuhr ihren Körper und sie atmete ehrfürchtig aus, als sie über die Schwelle geschoben wurde.
„Bitte Rose, mach es unserer kleinen Patientin bequem. Sie ist die Nichte eine meiner besten Freundinnen und ich möchte, dass sie sich bei uns wohlfühlt.“
Rose lächelte, als wäre sie mit dieser Anweisung sehr glücklich und löste Leas Handgelenke aus den Befestigungen des Rollstuhles. Sie half ihr auf, räumte den Rollstuhl beiseite und begleitete das Mädchen auf eine sehr bequeme, schwarze Ledercouch, auf die sie sie setzte. Rose selber, nahm sich einen einfachen Stuhl, der in der Ecke stand und ließ sich in der Nähe ihres Schützlings nieder. Sie blieb im Hintergrund, aber aufmerksam.
„Lea, mach es dir bequem. Ich benötige noch ein paar Informationen von dir, damit ich dein individuelles Therapieprogramm auf dich abstimmen kann. Zuerst einmal ein paar allgemeine Fragen. Oh, nur zu leg dich hin, da unterhält es sich leichter.“
Lea zögerte und spürte dann bereits die sanften Hände von Rose, die ihr erst die Schuhe und dann die Strickjacke auszog, um sie auf das Sofa zu legen. Sofort machte sich eine angenehme Entspannung in Lea breit. Zum Schluss nahm man ihr den Schnuller aus dem Mund, wischte ihr mit einem weichen Tuch über die Lippen und streichelte ihr über den Kopf.
Christin hatte sich einen schweren Ohrensessel zurechtgerückt, ihre Schuhe abgestreift und es sich ebenfalls bequem gemacht. Ihre langen, wohldefinierten Beine, die von der dunklen, halbdurchlässigen Strumpfhose bedeckt wurden, schlugen sich übereinander und ihr forschender Blick ruhte ein paar Augenblicke schweigend auf Lea. Erst nachdem alle sich in der Position und dem Zustand befanden, die ein angenehmes Gespräch erlaubten, durchbrach sie die Stille.
„Also Lea. Das meiste hat mir Doren ja bereits mitgeteilt. Außerdem habe ich deine medizinischen Unterlagen angefordert und da machen mir einige Details ein wenig Sorgen. Dass du angefangen hast dich wieder einzunässen und aus Trotz sogar wieder einkackst ist eine sehr typische Reaktion für Menschen in deiner Situation. Zum ersten Mal von zu Hause weg, die ersten Versuche auf eigenen Beinen zu stehen. Dann die strengen Hausregeln deiner Tante, die mit deiner rebellischen Phase kollidieren, die ersten Stresssituationen des Studiums, Prüfungen, Selbstzweifel, Zukunftsängste. Das alles ist verständlich und ich habe es schon hunderte Male bei jungen Menschen erlebt, welche ich hier erfolgreich behandelt habe. Was mir mehr Sorgen macht, sind deine heftigen emotionalen Ausbrüche, bei denen du dich selbst und andere gefährdest oder sogar verletzten könntest.“
An dieser Stelle konnte Lea nicht mehr an sich halten. So wie diese Frau ihre bisherige Geschichte zusammenfasste, fiel ein total falsches Bild auf sie. Die Tatsachen waren im Groben schon korrekt, aber überhaupt nicht mit der jeweiligen Situation in einen Kontext gebracht. Wenn man das so erzählte, dann konnte man wirklich denken, dass mit ihr etwas nicht stimmte und sie therapeutische Hilfe benötigte. Aber so war das ja alles gar nicht. …. oder doch? Mit einem Mal kamen echte Zweifel in Lea auf. Hatte sie wirklich angefangen, bewusst und von sich aus in die Hosen zu machen, um Aufmerksamkeit zu erhalten? Hatte sie sich nicht mehr unter Kontrolle und war eine Gefahr für andere? Lea schüttelte leicht den Kopf.
„Aber das stimmt doch so gar nicht …“, protestierte sie und wollte klarstellen das sie keine tobende Irre war, die man in einen Käfig sperren musste.
„Unterbrich mich nicht, Lea. Das ist genau diese emotionale Reife, die dir scheinbar fehlt. Aber genau dafür bist du ja hier, ehe dein Benehmen zu einem echten Problem wird. Unsere Methoden sind perfekt für ein Krankheitsbild, wie es sich bei dir anbahnt.“
„Aber ich bin nicht krank!“, schnaufte Lea und setzte sich auf dem Sofa auf. Etwas in ihr fing an zu brodeln und sie wollte aufspringen, als ein kühler Nebel auf ihr Gesicht traf. Sie roch und schmeckte etwas Süßliches und schlagartig spürte sie, wie sich der Nebel im Inneren ihres Kopfes ausbreitete. Ihre Arme, Hände und Zunge wurden ganz weich und sie sank auf das kühle, schwarze Leder zurück. Ihre letzten Versuche sich zu artikulieren endeten in brabbelnden Lauten. Während Rose sanft ihren Kopf hielt und die Arme an ihren Körper legte, spürte sie wie es zwischen ihren Beinen warm wurde und sie sich unkontrolliert einnässte.
So schnell wie der Nebel gekommen war, verschwand er auch wieder und nach ein paar Augenblicken fühlte sich Lea wieder klar und aufnahmefähig.
„Nun, das beantwortet eigentlich die meisten meiner Fragen und deine Anamnese ergibt jetzt ein Gesamtbild, nach dem ich deine Behandlung optimieren kann. Eigentlich dachte ich, dass wir dich bei einem niedrigeren Sicherheitslevel einstufen können, aber ich fürchte, du hast gezeigt, dass du dafür noch nicht bereit bist. Schwester Rose, mir bleibt nichts anderes übrig, als Lea für die erste Zeit mit einem Level 4 zu behandeln. Sie als ihre persönliche Erzieherin werden das genau beobachten und das Level nach ihren Erfahrungen und den Bedürfnissen von Lea anpassen.“
Rose nickte mit einem besorgten Gesicht und streichelte Lea behutsam den Kopf. Sie war vom Charakter her eine fürsorgliche Frau, welche ihren Beruf und ihre Patienten sehr ernst nahm und nur das Beste für sie wollte. Dabei stellte sie keine der Behandlungsmethoden infrage und schoss auch ein wenig über das Ziel hinaus. Dabei wäre ihr niemals in den Sinn gekommen, dass es da eine ganz andere Abmachung zwischen Doren Svenson und der Institutsleiterin gab und auch andere Pläne für Leas Therapieverlauf.
Die kurzzeitige Lähmung, die Lea erfuhr, ließen ihr Inneres mehr aufgewühlt zurück als beruhigt. Sie versuchte, mit gummiartigen Armen nach etwas in ihrer Umgebung zu greifen und unternahm auch immer wieder Versuche, sich zu erheben, aber ihr Körper wollte nur langsam in seinen Normalzustand zurück. Christin schmunzelte schief und wusste genau, warum sich Lea so verhielt. Rose dagegen glaubte, dass es einer von Leas Anfällen sein musste, von denen man ihr erzählt hatte und sie versuchte sie zu beruhigen.
Christin hatte sich erhoben, kam den beiden näher und beugte sich über die zappelnde Lea.
„Ich hatte dich aus einem ganz bestimmten Grund hierher gebeten und ich denke, wir sollten diese Gelegenheit nutzen, um noch etwas tiefer in dein Inneres vorzudringen, damit wir sehen, wo genau das Problem liegt. Emotionale Störungen kommen meist aus dem Unterbewusstsein und genau das ist meine Spezialität. Ich möchte, dass du dich jetzt beruhigst und auf meine Stimme hörst, danach wird es dir viel besser gehen, das verspreche ich dir.“
Lea versuchte immer noch sich aus dieser Situation mit Gewalt zu befreien, als ihr die Einsicht kam, dass Christin vielleicht doch recht haben könnte. Die Zweifel, welche vorhin nur kurz aufgeflackert waren, kamen jetzt stärker zurück. Die Stimme in ihr, welche behauptete, dass sie sich ja nur gegen diese absurde Behandlung wehrte, schlug um in einen anderen Ton. Werde ich so behandelt, weil ich mich so benehme, oder benehme ich mich so, weil ich so behandelt werde? Dieser Gedanke ließ Lea kurz innehalten und sie blickte abwechselnd in die beiden Gesichter, die sie genau beobachtetet.
„So ist es gut, Lea“, säuselte Christin und zog sich einen kleinen Hocker heran, um sich dicht neben das Mädchen zu setzen. Sie strich mit ihrem Daumen ganz leicht über Leas Stirn, hinab zu ihrem Nasenrücken.
„Du wirst jetzt auf meine Stimme hören und es wird das einzige sein, was wichtig ist. Meine Stimme wird dich begleiten und anleiten. Sie wird in den nächsten Minuten das wichtigste sein, was es für dich gibt. Ein Licht in der Dunkelheit, die sicheren, warmen Arme einer Mutter, die ihr Kind hält, der Mittelpunkt deines Universums.“
Lea spürte die Berührung und etwas an der Stimmlage und dem Tonfall in Christins Stimme machte sie plötzlich neugierig. Für einen kurzen Moment öffnete sie sich und die Stimme drang auf eine unerklärliche Art in sie ein.
„Wir werden jetzt zusammen auf eine kleine Reise gehen. Nur du und ich. Wir reisen in dein Innerstes und in deine Vergangenheit. Dort werden wir uns nach den Auslösern deiner Wut umsehen und beobachten. Willst du das mit mir zusammen tun, Lea?“
Lea wusste nicht, ob es noch an dem Medikament lag, das Rose ihr ins Gesicht gesprüht hatte, oder ob das ein neuer Zauber war. Christins Stimme hallte in ihrem Kopf und klang wie ein Echo, das immer wieder von den inneren Wänden ihres Schädels reflektiert wurde. Sie nickte zaghaft.
„Gut, sehr gut. Das ist der erste Schritt, Süße. Schließe jetzt deine Augen und konzentriere dich nur auf meine Stimme. Wir stehen zusammen am Eingang deines Geistes. Nur du kannst dort hinein, aber du kannst mich dorthin mitnehmen. Lädst du mich zu dir ein, Lea?“
Wieder nickte Lea ganz zaghaft und Christin lächelte breit und gelassen.
„Das ist lieb von dir, Süße. Spürst du meine Gegenwart? Nimm meine Hand und öffne die Tür vor dir.“
Plötzlich fühlte es sich so an, als würde Lea fallen. Wieder einmal. Aber diesmal war es nur ein kurzes, intensives Gefühl. Als ob sie durch einen Abfluss gesaugt würde. Schwups, war es auch schon vorbei und etwas Bleiernes legte sich auf ihren Körper, den sie jetzt gefühlt verlassen hatte, um in einem Raum aus absoluter Schwärze zu stehen. Ihr war es weder warm noch kalt und sie verspürte keine Angst oder Aufregung. Etwas berührte ihre rechte Hand, aber sie sah nichts. Lea schloss ihre Finger und versuchte angestrengt etwas in der Dunkelheit zu erkennen. Da traf ein scharfer, heller Strahl ihre Augen und sie blinzelte kurz, ehe sie merkte, dass er ihr nicht weh tat. Der dünne Lichtstrahl wurde breiter und länger und bildete gleich darauf die deutlichen Umrisse einer Tür.
„Das ist sie, Lea.“ hallte die Stimme Christins um sie herum. „Öffne sie und geh hinein, lass mich nicht los, ich werde bei dir sein.“
Lea tat es und schritt durch die Tür in einen Lichtkegel, der sich um sie legte und sie gierig verschlang. Nach einem kurzen Moment, der aus nichts als purem Weiß bestand, bildeten sich aus dem Nichts in zähen, schmelzenden Fäden, eine Szene, welche Lea gut kannte. Als sich der Farbenbrei beruhigt hatte, fand sie sich in ihrem alten Kinderzimmer wieder, in welchem sie spielte, als sie noch sehr klein war. Und genau das war sie jetzt auch, sie war wieder klein. Eine Lea von vielleicht fünf Jahren hockte auf dem Boden und hatte vor sich eine ganze Gesellschaft aus wohlbekannten, alten und guten Freunden. Um einen hübsch gedeckten Kaffeetisch, saßen Brummi der Bär, Pauline ihre Lieblingspuppe, Harry der verrückte Hase und weitere Gäste einer kleinen Teerunde. Lea war die Gastgeberin und schenkte gerade imaginären Tee aus einer feinen Porzellankanne in die zum Geschirrset passenden Tassen.
„Oh Herr Harry. Sie haben heute aber besonders viel Durst. Natürlich können sie gern noch einmal Tee haben, und von den leckeren Keksen sind auch noch mehr als genug da. Greifen sie nur kräftig zu.“
Lea musste kichern und empfand eine kindliche, schäumende Freude bei dem Spiel, genauso wie sie es damals empfunden hatte und alle Erinnerungen daran kamen zurück. Sie hörte den Tee, wie er in die Tasse plätscherte und während sie den dünnen, gelblichen Strahl der Flüssigkeit beobachtete, wie er scheinbar unersättlich in dem Gefäß verschwand, spürte sie einen Druck auf ihrer Blase. Sie musste mal. Etwas wehmütig stellte sie vorsichtig die Kanne ab, stand auf und lief aus dem Zimmer heraus. Seltsam, an eine solche Situation konnte sich Lea gar nicht erinnern, aber sie erlebte sie, als ob es wirklich so passiert wäre.
Aus dem Zimmer heraus folgte sie einem dämmrigen Flur bis zu einer dunklen Tür. Sie öffnete auch diese und drückte einen Schalter, der den dahinterliegenden Raum sofort in ein kaltes, bläuliches Licht tauchte. Lea fröstelte leicht und schlang die Arme um sich. Huh, das war kühl und unangenehm. Ganz anders als in ihrem warmen, behaglichen Kinderzimmer und sie wollte eigentlich ganz schnell dahin zurück. Aber sie musste immer noch dringend und spürte es jetzt deutlicher als zuvor.
Zitternd ging sie in den Raum und schaute sich um. Es war ein kleines Badezimmer mit einer Kloschüssel, einem Waschbecken und einem Spiegelschrank. Sonst war da nicht viel und es sah alles ungemütlich aus und nicht sehr einladend. Obwohl alles blitzblank, sauber und hell weiß war, strahlte es eine Kälte aus, die Lea tief in die Knochen fuhr. Außerdem schien es, als ob alle Gegenstände größer waren als sie es sein sollten. Selbst für eine Fünfjährige hätte der Klodeckel nicht bis zu ihren Schultern hinauf führen dürfen. Aber es nützte nichts. Umständlich hievte Lea den Deckel auf. Mit der Hilfe eines Hockers, welchen sie unter dem Waschbecken fand, kletterte sie angestrengt auf die freiliegende Klobrille und setzte sich auf die vordere Kante. Als sie sicher saß, fummelte sie am Bund ihrer Strumpfhose, die sie trug, und zog sie mitsamt ihrem Schlüpfer über ihre Pobacken und die Beine hinab. Sie rutschte mit ihrem Körper nach hinten und streckte das Gesäß aus, so, dass ihr Hintern über der Schüssel schwebte. Als sie sich sicher fühlte, versuchte sie zu pullern. Aber ihre Haltung war verkrampft. Sie musste sich mit beiden Armen an den Seiten der Brille abstützen und ihre Beine hingen gefährlich ungesichert in der Luft. Alles war anstrengend und unangenehm. Das Klo war kalt, es roch seltsam, machte komische Geräusche und überhaupt fand Lea alles an der Situation gerade doof.
Gerade als sie spürte, wie sich ihr Pipi einen Weg heraus bahnte, versuchte sie sich noch mehr zu entspannen. Sie ließ locker und rutschte mit einem Arm zur Seite weg. Das machte ihre ganze Balance kaputt. Zutiefst erschrocken klappte sie zusammen und sackte mit dem Unterkörper zuerst, hilflos nach unten. Gerade als sie fest die Augen zusammenpresste und das eiskalte Wasser an ihrem Hintern zu spüren glaubte, befand sie sich wieder in ihrem Zimmer bei der Teegesellschaft und goss Harry Hase eine weitere Tasse ein.
Uff. Was war denn das? Lea hatte einen trockenen Mund und schluckte schwer. Der Schreck fiel nur langsam von hier ab und ihr Herz hämmerte noch etwas schneller, als sie registrierte, dass alles wieder in Ordnung war. Zitternd atmete sie aus. Es war exakt dieselbe Szene, die sie gerade erlebt hatte.
Wieder plätscherte der Tee in die Tasse.
„Oh Herr Harry. Sie haben heute aber besonders viel Durst.“
Wieder spürte sie den stärker werdenden Druck auf ihrer Blase.
Doch diesmal ignorierte sie ihn erst einmal und dachte nach, was sie machen könnte. Noch einmal würde sie sicher nicht auf diese Gruseltoilette gehen. Also blieb sie in ihrem warmen, wohligen Zimmer und trank selber noch zwei Tassen Tee, während alle über den neuesten Klatsch von Pauline lachten.
Nach einer Weile wurde der Druck in ihrem Unterleib so stark, dass es anfing weh zu tun. Irgendwas musste sie bald unternehmen. Aber was? Lea hockte sich hin und krümmte sich, während sie die Beine fest zusammen drückte. Auch an eine solche Situation, konnte sie sich eigentlich nicht wirklich erinnern, aber es fühlte sich unglaublich real an. Irgendwann wurde der Schmerz stechend und sie stand zusammengekrümmt auf als es passierte. Ihr Schließmuskel gab so schlagartig und vollständig nach, dass Lea wie gelähmt nur dastehen konnte, während ein heißer Schwall Pipi aus ihr heraus schoss. Ihr Höschen und die Strumpfhose hatten keine Chance irgendetwas dagegen zu tun oder es aufzuhalten. Sie waren innerhalb von Augenblicken komplett durchnässt und warme Rinnsale kitzelten unter dem Stoff ihre Beine hinab. Bis sich ein tröpfelnd, plätschernder Strahl genau zwischen ihren Schenkeln bildete, der dunkle Flecken auf dem Teppichboden unter ihr malte. Die gleichzeitige Erleichterung in ihrem Körper war so überwältigend und köstlich, dass Lea trotz allem leicht seufzen musste und sogar ein wenig lächelte. Für dieses Gefühl, war es die Sauerei wehrt gewesen, so dachte sie zumindest, bis der Fluss aus ihr versiegt war.
Lea stand verdattert mitten im Raum. Ihre Sachen waren pitschnass und sie spürte die fassungslosen Blicke ihrer Gäste auf sich, was ihr ein bis dahin ungeahntes Gefühl der Scham einflößte und ihr die Tränen in die Augen trieb. Diese Scham war überwältigend und mischte sich mit der Erleichterung der Entleerung. Da ging ihre Zimmertür auf und jemand kam herein. Ihre Mutter? Die Tränen begannen zu fließen und blendeten ihre Sicht. Alles war verschwommen und sie spürte nur, wie jemand sie hochhob und mit ihr sprach. Sie verstand die Worte nicht, aber sie hatten eine erschreckende Schärfe, welche sie nicht mochte. Während die Welt unter ihr kleiner wurde, hörte sie Gelächter und die Schemen der Puppen und Kuscheltiere krümmten sich, während sie mit ihren Pfoten und steifen Fingern auf sie zeigten. Sie hatte sich eingepullter und man lachte sie aus. Ruppig zog man ihr die Strumpfhose herunter und schimpfte sie. Sie spürte einen feuchten, unangenehm kalten Lappen auf ihrer Haut und heulte jetzt, ohne dass man sie tröstete. Ehe sie trockene, frische Sachen an bekam, spürte sie einen dumpfen Klaps auf ihrem Hintern, der nicht körperlich weh tat, aber sie noch mehr aufjaulen ließ, da er das neue Gefühl der Scham und der Peinlichkeit ins Unermessliche peitschte. Gerade als alles seinen Höhepunkt erreicht hatte, fand sich Lea wieder in ihrem stillen, friedlichen Zimmer und goss Tee in eine Tasse.
„Oh Herr Harry. …“
… das kannte sie schon. Auch der Druck auf ihrer Blase und die Erinnerungen an die vorherigen Geschehnisse waren wieder überdeutlich da. Wie oft musste sie das denn noch durchmachen und mit welcher Grausamkeit würde man sie diesmal quälen? Lea beschloss, das alles abzukürzen. Sorgsam schenkte sie dem Hasen Tee ein, stellte die Kanne ab und blieb einfach so hocken wie sie war. Sie schloss die Augen, konzentrierte sich und ließ der Natur freien Lauf. Gleich spürte sie wieder die Wärme in ihrem Schritt und diese elektrisierende Erleichterung. Doch diesmal breitete sich die Wärme um sie herum aus und hüllte sie auf eine angenehme Weise ein. Statt eines Plätscherns hörte sie nur ein leises Zischen. Zwischen ihren Beinen wurde es wärmer und wärmer, bis sich das Gefühl über ihre Scham ausbreitete, sich seinen Weg zwischen ihre Pobacken bahnte und ihren Hintern hinauf kroch. Es kitzelte ein wenig aber war überhaupt nicht unangenehm. Zaghaft öffnete sie ihre Augen und erwartete wieder schallendes Gelächter des Spottes, weil sie sich wieder eingemacht hatte. Doch zu ihrer Verwunderung blieb alles still. Nur das unaufhörliche Geplapper von Pauline unterbrach die Stille.
„Lea? Alles in Ordnung bei dir?“, fragte Brummi in seiner tiefen Bassstimme und steckte sich verfressen einen der Schokokekse in das Mäulchen. Lea blinzelte und stotterte Kopfnicken.
„Ahm, ja ja. Alles gut. Mir geht es gut.“
„Du sahst gerade ein wenig abwesend aus“, schob Paulina nach und Harry nickte mit besorgtem Blick.
„Neiiin.“ winkte Lea gekünstelt lachend ab „Ich hatte nur gerade darüber nachgedacht, ob ich noch einmal Tee aufsetze. Der scheint heute ja besonders gut zu schmecken.“
Alle stimmten diesem Gedanken zu und Harry witzelte.
„Ja, unbedingt, meine Liebe. Dein Tee ist wirklich ausgezeichnet. Aber nicht das einer von uns sich bei so viel Flüssigkeit noch in die Hosen macht, was?“
Alle lachten schallend über den scheinbar gelungenen Witz und Lea stimmte etwas unsicher mit ein, um nicht aufzufallen. Während die anderen abgelenkt waren und einander auf die Schenkel klopften, tastete sie unauffällig mit einer Hand über ihren Hintern. Sie hatte bereits geahnt, was sie dort spüren würde und das leise Knistern der offensichtlichen Polsterung bestätigten ihre Vermutungen. Der kurze Griff auf die weiche Ausbeulung in ihrem Schritt wäre unnötig gewesen, denn sie wusste, sie trug eine Windel. Durch die weiße Strumpfhose konnte man bei genauerem Hinsehen die bunten Babymotive gut erkennen. Ein kleiner süßer Pandabär winkte ihr von einer Schaukel aus fröhlich zu, begleitet von seinem Freund, einer niedlichen Biene und gesäumt von einem verträumten Regenbogen. Auf diese Weise hatte er ihr unangenehme, peinliche und schlimme Erlebnisse erspart. Niemand schien davon Notiz zu nehmen, dass sie Windeln trug, oder dass sie sie gerade benutzt hatte. Sie fühlte sich geborgen, entspannt und glücklich.
Und diese Gefühle nahm sie mit, als sie wieder mit Schwung nach oben gesaugt wurde. Sie winkte ihren Freunden zu, während diese kleiner und kleiner wurden und als sie die Augen, begleitet von einem tiefen Einatmen, aufriss, fand sie sich zurück in der Wirklichkeit. In dem Büro der Institutsleiterin, in dem sie auf einer ledernen Couch lag und in das strahlend lächelnde Gesicht ihrer neuen Erzieherin blickte.




